Gemeinsam eine Kirche am Ort

Die Kirche suchte und sucht die Nähe der Menschen und konnte bislang als Kirche am Ort wirksam werden. In der örtlichen Pfarrei waren sich die alltägliche und die kirchliche Lebenswelt lange Zeit sehr nah. Mit der veränderten kulturellen und sozialen Orientierung der Menschen sowie den Anforderungen der modernen Arbeitswelt hat sich der Lebensraum der Menschen zusehends vergrößert.

Der gewohnte Zusammenhang von alltäglicher und kirchlicher Lebenswelt bricht auf, und der demografische Wandel verstärkt diese Entwicklung. Das Zusammenleben in einem Dorf oder Stadtteil bedeutet nicht mehr, selbstverständlich auch eine Gemeinschaft im Glauben zu finden. Auf diesen Wandel versucht die Kirche mit der Förderung der Zusammenarbeit benachbarter Pfarreien zu antworten. Eine Reise durch das Bistum Aachen zeigt, wie die Zusammenarbeit in Liturgie, Seelsorge und Caritas über Gemeindegrenzen hinweg Gestalt gewinnt und die Kirche den Menschen weiterhin nahe sein will.

Fronleichnamsprozession der Pfarrgemeinde St. Nikolaus in Kall.
Die Kurve kriegen
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Das Trägerwerk für kirchliche Jugendarbeit in Krefeld

Im Café Oje in der Krefelder Felbelstraße treffen sich Kinder und Jugendliche des Stadtteils. Spiel, Sport und Musik sowie erlebnispädagogische Ausflüge sind gut besuchte Angebote, die junge Menschen aus ganz unterschiedlichen sozialen Milieus verbinden. Die großen Räume auf mehreren Ebenen sind ganz auf die Besucher zugeschnitten, eine Wiese hinter dem Haus lädt zu weiteren Aktivitäten ein. Hier haben die Jugendlichen einen Nutzgarten angelegt, den sie mit großem Eifer pflegen. Jetzt sitzen sie drinnen am Tisch, putzen Gemüse und bereiten ein gemeinsames Essen vor. Im Fitnessraum nebenan absolvieren ältere Jugendliche ihr Krafttraining, während andere in der Diskothek ihr Breakdance-Können perfektionieren. Das Café Oje hat rund 80 „Stammgäste“, täglich kommen zwischen 40 und 50 Besucherinnen und Besucher.

„Die jungen Menschen nehmen unsere Angebote mit Begeisterung auf“, erklärt Christel Bähner-Hox, die Leiterin der offenen Jugendeinrichtung. Das liegt auch daran, dass die Aktionen gemeinsam mit den Teilnehmern entwickelt werden. „Wenn es an einem nicht mangelt, dann an Ideen, was man machen könnte“, weiß die Sozialpädagogin. Die Einrichtung liegt in einem gutbürgerlichen Wohngebiet – und in Nachbarschaft des Hochhauses Bleichpfad, in dem überwiegend sozial Benachteiligte wohnen. Das Café Oje bietet einen geschützten Raum, in dem sich die Jugendlichen den Betreuern mit ihren Nöten anvertrauen, für die sie zu Hause keine Ansprechpartner haben: Schulprobleme, Arbeitsplatzsuche, aber auch häusliche Gewalt und Missbrauch.

Das Café Oje ist eine von vier Einrichtungen des Trägerwerks für kirchliche Jugendarbeit im Bistum Aachen. In Kooperation mit der Stadt Krefeld gestaltet der eingetragene Verein den Ausbau und die Professionalisierung freier Träger in der Jugendhilfe. Geschäftsführerin Sabine Bischof versteht Jugendarbeit als diakonische Pastoral: „Das Café Oje ist ein Lebenshaus, in dem sich die Gemeinde widerspiegelt.“

Die Einrichtung wurde von der örtlichen Pfarrgemeinde gegründet und hat ihre Identität unter dem Dach des Trägerwerks erhalten. Viele Gemeindemitglieder sind ehrenamtlich in „ihrem“ Jugendtreffpunkt aktiv.

Die meisten Gäste des Café Oje kommen mit etwa sechs Jahren und bleiben, bis sie 16 Jahre alt sind. Manche kehren später wieder. Sie kommen an ihrem Geburtstag und bringen Kuchen mit, sie zeigen stolz den erworbenen Führerschein. „Ich habe meine Kindheit als schön in Erinnerung, denn ich war ja immer hier“, sagt ein junger Mann, der es trotz schwierigster Familienverhältnisse „geschafft“ hat. „Es tut gut, wenn man sieht, dass die Jugendlichen die Kurve kriegen“, sagt Bähner-Hox.

Das Café Oje in Krefeld hat rund 80 „Stammgäste“. Hier bereiten die Jugendlichen unter Anleitung von Betreuern eine gemeinsame Mahlzeit vor.
Brücken zwischen den Dörfern bauen
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Jugendarbeit und Chöre im ländlichen Raum

Die Kirche am Ortsrand von Kall-Urft in der Eifel ist an diesem Sonntag im Juni bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Mehrzahl der rund 300 Besucher sind junge Menschen aus der umliegenden Region. Aber es gibt auch ältere Teilnehmer aus dem Ort und den Nachbarpfarreien, die sichtlich Freude haben an der Messfeier ganz anderer Art, die sie hier erleben. Der Dreifaltigkeitssonntag wird im Bistum Aachen traditionell als Jugendsonntag gefeiert. Der Gottesdienst in der Jugendkirche von Urft ist allerdings nicht nur für Jugendliche, sondern wird auch von Jugendlichen gestaltet. Der Altarraum ist mit Tüchern geschmückt, davor liegen Sitzkissen statt Kirchenbänken, und an Stellwänden gestalten die Jugendlichen die Botschaft, die sie heute vermitteln wollen und in die sie die Gottesdienstbesucher einbeziehen: „Jeder Mensch ist einzigartig.“

Die Jugendarbeit begleiten, ergänzen und vernetzen – so beschreibt Hardy Hawinkels seine Aufgabe. Der Jugendpfarrer für die Region Eifel hat dazu die Jugendkirche „New Key“ initiiert. Das ist kein stationärer Ort, sondern ein Programm, das im ländlichen Raum auf Kooperation und Mobilität setzt. „Wir verfolgen das Konzept eines Wanderzirkus“, sagt Hawinkels. Das klingt flapsig, erweist sich aber als eine Gemeinschaftsform von Kirche, die jungen Menschen spirituelle und seelsorgerische Angebote macht und sie in karitative und soziale Projekte einbindet.

Das gilt für die Firmvorbereitung und für den ökumenischen Jugendkreuzweg ebenso wie für die Unterstützung bei Flüchtlingsprojekten vor Ort. „Die Zielgruppe ist in einem Höchstmaß beteiligt“, sagt Hawinkels. Zwei hauptamtliche Pädagogen sowie viele ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen sicher, dass immer jemand in Ruf- und Reichweite der Gemeinden auf Ortsebene da ist. Für die Mobilität steht auch der Jugendbus „Linie Zwo“. Der ausrangierte Linienbus unterstützt als „Jugendraum auf Rädern“ die Jugendarbeit vor Ort und kann für PC-Arbeit, für Filmvorführungen oder als Kochmobil genutzt werden. Und er gibt mit eigenen Programmen Impulse. Jedes Jahr tourt der Bus mit einem neuen Projekt durch die Region.

Musik gibt der Gemeinschaft im Glauben besonderen Ausdruck. Das gilt auch für den Gottesdienst am Jugendsonntag in Urft. Der Jugendchor Kall hat die Feier maßgeblich vorbereitet. Gemeinsam mit anderen Jugendlichen haben die jungen Sängerinnen und Sänger die Liturgie geplant, den Kirchenraum dekoriert, das Licht gesetzt. Der Chor sorgt natürlich auch für die musikalische Gestaltung der Messe, gemeinsam mit der Band Spirit.

„Das gemeinsame Singen im Chor kann eine Brücke zwischen den Dörfern bauen“, sagt Regionalkantorin Holle Goertz, die auch den Jugendchor Kall leitet. In ihrer Region geht Goertz mit den Chorgruppen einen „sanften Weg der Kooperation“, der die Verankerung in der Heimatgemeinde mit einer übergreifenden Zusammenarbeit verbindet. In der Gemeinschaft der Gemeinden Heiliger Hermann Josef, zu der 14 Kirchengemeinden in den Kommunen Kall und Nettersheim gehören, gibt es allein 15 Chöre, vom Erwachsenenchor über den Kinder- und Jugendchor bis zur Choralschola. Insgesamt 345 Sängerinnen und Sänger sind hier aktiv, mehr als 2,5 Prozent der rund 13.600 Katholiken. Sie gestalten das kirchliche Leben in den Gemeinden mit, auch über die Grenzen der Pfarreien hinweg.

Die Band Spirit gestaltete gemeinsam mit dem Jugendchor Kall den Gottesdienst am Jugendsonntag in Kall-Urft.
Hinführung zum Glauben
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Katholisches Zentrum für Familien

Im ländlichen Raum der Gemeinschaft der Gemeinden Titz haben sich die drei Kindertagesstätten zum Katholischen Zentrum für Familien zusammengeschlossen. Die enge Vernetzung der Einrichtungen macht es möglich, ein vielfältiges Programm zur Förderung der Kinder, zum Austausch zwischen den Eltern und zur Begegnung der Generationen ortsnah zur Verfügung zu stellen. Das Angebot bedient einen großen Bedarf. Und es bietet Orte, an denen christlicher Glaube und katholische Wertvorstellungen authentisch gelebt werden. Viele Eltern entscheiden sich bewusst für eine katholische Kindertagesstätte, auch wenn Glaube und Kirche in ihrem Alltag kaum eine Rolle spielen. „Die Kinder sollen nicht nur gesagt bekommen, was es heißt, ein Christ zu sein, sie sollen es vor allem erleben“, fasst Trägervertreter Antonius Hommelsheim das Konzept zusammen.

Dem Theologen ist wichtig, dass die Angebote der Bildung, Betreuung und Beratung mit Angeboten der Pastoral zusammengeführt werden. Darin sind alle elf Pfarreien der Gemeinschaft der Gemeinden eingebunden. Das reicht vom Kreuzweg über Andachten bis zu Gottesdiensten, die nach den Festen des Kirchenjahres eigens für die Kinder gestaltet werden.

So beschäftigen sich die Kinder zum Beispiel anhand der Wundertaten Jesu mit den kleinen Wundern des täglichen Lebens: dass uns jemand tröstet, wenn wir traurig sind, oder dass man uns die Hand ausstreckt, um zu verzeihen oder um Verzeihung zu bitten. Einen pädagogischen Schwerpunkt bildet die Begegnung von jung und alt. „Viele Kinder haben kaum Kontakt zur älteren Generation“, weiß Hommelsheim. Deshalb besuchen die Kinder Senioren- und Pflegeheime, wo sie gemeinsam mit den alten Menschen frühstücken, basteln, singen, spazieren gehen und Bilderbücher betrachten.

Auch für die Eltern hält das Familienzentrum ein breites Angebot bereit. Elternabende bieten Informationen über Themen wie das Spielen mit Kindern, Medienerziehung, gesunde Ernährung, den Umgang mit der Flut von Geschenken, den Umgang mit Tod und Trauer.

Der Martinszug der Kindertagesstätte St. Cosmas und Damian führt ins benachbarte Seniorenheim. Die Begegnung von jung und alt ist ein pädagogischer Schwerpunkt des Familienzentrums Titz.
Auf dem Weg zu neuen Formen von Kirche
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Eine Pfarrei wagt Experimente

Die Gemeinschaft der Gemeinden St. Lukas in Düren umfasst ein breites gesellschaftliches Spektrum. Hier mischen sich unterschiedliche gesellschaftliche Schichten, städtische und dörfliche Strukturen sowie Kulturen verschiedener Nationalitäten. In diesem Umfeld bewahrt jede der sechs Gemeinden ihre eigene Identität und setzt ihren seelsorgerischen Schwerpunkt. So zum Beispiel St. Marien am Leopold-Hoesch-Platz in der Dürener Innenstadt. Durch einen umfassenden Umbau der Kirche ist eine Symbiose von Gotteshaus, Gemeinde- und Bildungsraum entstanden. Eine große Glasfront schafft die Verbindung des Kirchenraums mit dem städtischen Leben. Die Kirchenbänke haben Stühlen Platz gemacht, die eine variable Nutzung erlauben. Hier finden Eucharistiefeiern, Jugendgottesdienste und Taizé-Gebete ebenso statt wie Glaubensgespräche, neue gottesdienstliche Formen wie „getanzte Gebete“ oder musikalische Darbietungen.

Aber St. Lukas geht noch weiter. Die Gemeinschaft der Gemeinden hat einen Innovationsprozess angestoßen, der über die bestehenden Angebote hinausgehen will. „Es gilt, neue Wege zu den Menschen zu finden“, beschreibt Pastoralreferent Wolfgang Weiser den Auftrag. „Kirche ist kein Selbstzweck – es geht um das ‚gute Leben‘ der Menschen.“ Ein Team von engagierten Ehrenamtlichen hat sich aufgemacht, neue Formen von Kirche zu entwickeln und auszuprobieren. Da finden sich Ideen wie die „Überraschungskirche“ für Familien mit Kindern, die „Willkommenskirche“, die die Passanten der Innenstadt im Blick hat, das „Kirchencafé Miteinander“, das sich an Menschen in Not wendet, oder der spirituelle „Oasentag“ für diejenigen, die sich nach einer innigen Beziehung zu Gott sehnen.

Jugendpfarrer Hardy Hawinkels
Der Pfarrer taucht ins Team ein
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Kooperative Gemeindeleitung

Die Pfarreien St. Heinrich, St. Laurentius und St. Martinus in der Gemeinschaft der Gemeinden Aachen-Nordwest werden nach dem Modell „Gemeindeleitung in Gemeinschaft“ geführt. Geleitet werden die drei Pfarreien mit insgesamt 9.000 Gläubigen von einem Gremium aus elf Personen. Neben dem Pfarrer und vier hauptamtlichen Gemeindemitarbeitern sind sechs Personen des Leitungsteams ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die von den Gemeinden gewählt und vom Bischof mit der Leitung der Gemeinde beauftragt sind. „Der Pfarrer taucht in das Team ein“, sagt Pfarrer Josef Voß und weist ausdrücklich darauf hin, dass die ehrenamtlichen Mitglieder im Leitungsgremium die Mehrheit haben. Das Modell ist in den Gemeinden akzeptiert und erweist sich als effizient. „Wir können qualifizierter entscheiden, und wir können damit richtiger entscheiden“, sagt Voß.

Was 2012 als Herausforderung begann, ist inzwischen eingespielte Routine. „Der gemeinsame Blick ist inzwischen eingeübt“, sagt Gerlinde Lohmann. Die Gemeindereferentin gehört neben den beiden Kirchenmusikern und einem weiteren Gemeindereferenten zu den hauptamtlichen Mitgliedern des Leitungsteams. „Die Ehrenamtlichen bringen ihre Gemeinde mit ins Team und tragen zu einer guten Vernetzung bei.“ Alle zwei Wochen trifft sich das Leitungsteam zur Besprechung. Das Amt fordert von allen viel Zeit. „Die wichtigste Aufgabe ist es, die Menschen zu motivieren“, sagt Peter Bücker. Er ist im Leitungsteam der Ansprechpartner für die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Darüber hinaus kümmert er sich um anstehende Projekte und organisiert über einen Förderverein das Pfarrsekretariat. Sein ehrenamtlicher Kollege Dr. Norbert Becker kümmert sich unter anderem um den Pfarrbrief „DreiKlang“ und die Jugendeinrichtung Cube.

Das Team sieht seine Aufgabe darin, neben der Leitung der drei Gemeinden neue Formen der Weitergabe des Glaubens zu finden, nicht zuletzt für junge Menschen und kirchenferne Milieus. Dazu gehören Programme wie das Projekt „Öffne das Fenster“, das über die Gemeindegrenzen hinweg viele Menschen angesprochen und eingebunden hat. „Leitungsarbeit im Team ist nicht einfacher, aber bunter“, findet Gerlinde Lohmann. Auf einen Priester in ihren Reihen wollen sie und ihre Kollegen dabei nicht verzichten: „Der Pfarrer kann und soll die vielfältigen Dinge des Lebens in Bezug auf den Glauben einordnen“, meint Peter Bücker.

Katie Steerath betreibt gemeinsam mit 20 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen das Café Hannes in Mönchengladbach. Im Johannes-Lädchen können bedürftige Menschen Lebensmittel zum halben Preis kaufen.
Lebendige Gemeinde – auch ohne Kirche
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Das Begegnungszentrum Hannes

Vier ältere Männer warten schon, als das Café um 11.00 Uhr seine Türen öffnet. „Die Herren treffen sich hier jeden Morgen, genauso wie die Mütter mit ihren kleinen Kindern“, erklärt Katie Steerath. Sie bedient die Gäste und ist eine von rund 20 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen, die das Café Hannes neben der ehemaligen Kirche St. Johannes in Mönchengladbach-Rheydt betreiben und mit selbst gebackenem Kuchen und selbst gekochter Suppe versorgen. Im Treffpunkt des Stadtteils gibt es ein Angebot an Zeitschriften und Büchern sowie Spielmöglichkeiten für Kinder. „Hier mischen sich die Milieus“, sagt Stephanie Schippers, die als hauptamtliche Kraft das Café führt.

Das Kirchengebäude St. Johannes in der Gemeinschaft der Gemeinden Mönchengladbach-Rheydt-West wurde 2015 geschlossen. Aber die Gemeinde wollte, dass die Kirche weiter vor Ort ist. Denn hier gibt es keine Geschäfte und kaum soziale Infrastruktur, dafür viele Menschen, die von Armut, Benachteiligung und Vereinsamung betroffen sind. Die Idee war, der Caritasarbeit einen Ort und der Stadtpastoral eine Perspektive zu geben. Mit Projektmitteln des Bistums Aachen wurde das Pfarrheim zum Begegnungszentrum mit einem Café, einem Lebensmittelladen und einem Kleiderladen umgebaut. Angebote wie die Montagsgespräche, der Donnerstagstreff für Jugendliche oder die Sozialberatung sind gut besucht. Getragen wird die Einrichtung durch Spenden und vor allem durch das Engagement von rund 100 ehrenamtlich tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die soziale und pastorale Arbeit unterstützen hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pfarre Herz Jesu und des regionalen Caritasverbandes Mönchengladbach. Gemeindereferent Roland Weber hat darüber hinaus eine Stadtteilkonferenz ins Leben gerufen, in der Polizisten, Ärzte, Lehrer und Erzieher sowie Vertreter der Stadt und der evangelischen Kirche gemeinsam beraten. „Wir müssen als Kirche wach bleiben“, ist Weber überzeugt.

Das Johannes-Lädchen hinter dem Café bietet für bedürftige Menschen Lebensmittel zum halben Preis an. 14 Helferinnen und Helfer kümmern sich um Einkauf und Verkauf. Wer hier einkauft, braucht einen Bedürftigkeitsnachweis und kann damit für maximal fünf Euro einkaufen. An den Öffnungstagen kommen bis zu 70 Menschen, und sie kommen als Kunden, nicht als Almosenempfänger. „Wir wollen die Kunden nicht drängeln und durchschleusen. Sie sollen richtig einkaufen können“, erklärt Monika Gold, die das Lädchen führt. Der Einkauf bietet Gelegenheit für Gespräche. „Es ist wichtig, dass die Gemeinde hier auch ohne Kirchenbau personell präsent ist“, sagt Gold. Der benachbarte Kleiderladen verkauft an bedürftige Menschen gut erhaltene Kleidung aus Kleiderspenden zu kleinen Preisen. Auch hier ist der Kunde König. Einrichtung und Service erinnern eher an eine edle Boutique als an einen Secondhand-Laden.

Im Johannes-Lädchen können bedürftige Menschen Lebensmittel zum halben Preis kaufen.
„Gebt ihnen zu essen“
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Lebensmittel aus der Kirche

Vor dem Standesamt in der Krefelder Innenstadt knallen Sektkorken: Eine Hochzeitsgesellschaft feiert. Währenddessen werden in einem Seitenschiff der gegenüberliegenden Kirche Tische mit Gemüse und Obst aufgebaut: Die Lebensmittelausgabe an Bedürftige wird vorbereitet. Die Krefelder Innenstadt ist ein Ort der Gegensätze. Neben der glitzernden Welt der Warenhäuser in der Fußgängerzone leben viele arme und bedürftige Menschen. In ihrer Not meldeten sich viele im Pfarrhaus neben der Stadtkirche St. Dionysius und baten um Unterstützung.

Das Pastoralteam der Pfarrei Papst Johannes XXIII. entwickelte daraufhin gemeinsam mit der Cityseelsorge vor zehn Jahren das Projekt einer Lebensmittelausgabe unter dem Namen „Das tägliche Brot“, das der schlichten Botschaft des Evangelisten Lukas folgt: „Gebt ihnen zu essen!“ Anfänglich fanden 30 Menschen den Weg ins Pfarrhaus, eine Woche später waren es schon 100. Heute sind 500 Berechtigungskarten im Umlauf, dahinter stehen rund 1.500 Menschen, mehr als 600 davon sind Kinder. 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter engagieren sich für das Projekt: Ehrenamtliche, die in Erwerbsarbeit stehen, Rentnerinnen und Rentner, Jobber sowie Menschen, die Sozialstunden ableisten. Seit 2012 findet die Lebensmittelausgabe jeden Samstag in der Kirche statt, unter dem Fenster, das die wunderbare Brotvermehrung zeigt. Ein ehemaliger Kapellenraum dient als Lager mit zwei Ebenen und großem Kühlraum. Die Ladevorrichtung und den Lastenaufzug hat der regionale Caritasverband gespendet.

Jeden Freitag werden zwei Lkw-Ladungen mit Lebensmitteln angeliefert und in der Kirche sortiert. Der größte Teil kommt vom Zentrallager der Tafel e. V., der Rest wird mit Spendenmitteln zugekauft. Vorbereitung, Ausgabe und Aufräumen sind gut organisiert. Mit dabei: Ulla Frohnert. „Wir sind ein eingespieltes Team, hier herrscht immer gute Laune“, sagt die pensionierte Lehrerin. Sie schätzt auch den Kontakt mit den Gästen, die bei ihr Aufschnitt und Käse bekommen. „Die Leute machen es einem leicht“, sagt Frohnert. „Sie sind höflich, bedanken sich und übermitteln herzliche Grüße.“ Aus den Gesprächen ergeben sich Anknüpfungspunkte für seelsorgerische Betreuung. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verweisen auf Beratungsstellen oder laden zum Besuch des Flüchtlingscafés in der Nachbargemeinde ein.

„Das tägliche Brot“ erfährt auch von Menschen, die der Kirche fernstehen viel Zuspruch, berichtet Gemeindereferent Bernd Kaesmacher. Der Leiter des Projekts nennt auch das Motiv für das große Engagement: „Lebe so, dass man dich nach dem Grund deiner Hoffnung fragt.“

Ulla Frohnert engagiert sich ehrenamtlich für das Projekt „Das tägliche Brot“.